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Vorstellungen vom Paradies

Das Paradies ist nach jüdischer und davon abgeleitet auch christlicher und islamischer Vorstellung der Ort, wo die Menschen nach ihrer Erschaffung zuerst gelebt haben. Das Paradies war ein Ort, an dem nichts fehlte. Die Bibel spricht vom gelobten Land, in dem Milch und Honig fließt. Allerdings wurden die Menschen daraus verbannt, weil sie von den verbotenen Früchten des Teufels gegessen und damit eine schlimme Sünde gegen Gott begangen hatten.

Andererseits ist im Christentum und Islam das Paradies auch jener Raum im Jenseits, in den die Menschen nach ihrem Tod kommen, wenn sie keine oder nur geringfügige Sünden in ihrem Leben begangen haben.

Das zumindest glaubten noch bis vor wenigen Jahrzehnten die meisten Menschen in Europa. Inzwischen sind jedoch viele religiösen Vorstellungen durch naturwissenschaftliche Erklärungen ausgetauscht worden. Deshalb fragte unlängst die Süddeutsche Zeitung 14 bekannte deutsche Persönlichkeiten, wie sie sich das Paradies in der heutigen Zeit vorstellen.

So meint beispielsweise der Schriftsteller Robert Seethaler, dass alle Vorstellungen von einem Leben nach dem Tod bloße Projektionen der Lebenden seien. Der Tod löse das Leben ab – was danach komme, sei schlicht unvorstellbar.

Charlotte Knobloch, Präsidentin der jüdischen Gemeinde von München, meint, dass die Frage, wie man sich die kommende Welt vorstellen müsse, unter Rabbinern höchst umstritten sei. Doch der Weg, wie man dorthin gelange, sei wenig utopisch und sehr konkret: nämlich durch gute Taten. So könne sich jeder Mensch jederzeit ein kleines Stück Paradies bereits als Lebender auf die Erde holen.

Reinhard Marx, Kardinal der katholischen Kirche, hat ebenfalls keine konkreten Vorstellungen vom jenseitigen Paradies. Doch zitiert er an dieser Stelle den Kabarettisten Hans Dieter Hüsch, der noch am ehesten seiner Meinung entspreche. Hüsch antwortete auf die Frage nach dem Paradies: „ Ich weiß, dass ich dort erwartet werde.“

Ähnlich lautete auch das Statement von Cem Özdemir, vegetarischer Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft: „Das Paradies wäre für mich ein Ort, an dem wir die Menschen wiedersehen, die wir hier unten getroffen haben.“ Dies sind für ihn vor allem enge Freunde und die Eltern.

Carolin Kebekus, Komikerin und Schauspielerin, findet die Vorstellung eher beängstigend, bei vollem Bewusstsein in einer Art Parallelwelt rumzuhängen, in der man alle seine Verwandten wiedertrifft.

Lara Dahlmeier, siebenfache Goldmedaillengewinnerin bei den Biathlon-Weltmeisterschaften, beschreibt das Paradies dagegen als Garten: „Der perfekte Ort: Es ist ruhig, Vögel zwitschern, ein Bächlein sucht sich spielerisch seinen Weg in den nahen See, der Wind streicht durch die Gräser und Blumen auf der Wiese…“

Armin Laschet, ehemaliger Kanzlerkandidat der CDU/CSU, hat vom Jenseits eher buddhistische Vorstellungen: „Ein tiefes, alles durchströmendes Gefühl der Versöhnung, der absoluten inneren Ruhe. Vom Leid erlöst, bin ich mit mir und der Welt im Reinen. Kategorien wie Schuld oder Vergeltung, Neid oder Eifersucht, Sünde oder Bestrafung spielen keine Rolle mehr.“

Am schönsten fanden wir jedoch Sarah Wagenknechts Vorstellung vom Paradies, Bundestagsabgeordnete für DIE LINKE: „Für mich ist das Paradies eine wunderschöne Bibliothek, die das gesamte literarische Erbe der Welt umfasst und in der großartige Werke der Weltliteratur aus sämtlichen Epochen und Kulturen vereint sind. Angeschlossen an die Bibliothek ist ein hervorragendes Restaurant mit köstlichen Speisen aus aller Welt, wo man sich mit jedem Autor und Gelehrten, ganz gleich aus welchem Land, aus welcher Zeit und von welcher Herkunft, zusammensetzen, reden und diskutieren kann. Selbstverständlich gehört auch ein umfangreicher Weinkeller zu dieser Bibliothek, bestückt mit den edelsten Tropfen. Und das allerbeste an diesem paradiesischen Ort ist, dass man keine Kopf- und Bauchschmerzen bekommt, egal, wie viel man getrunken und gegessen hat.“

Wir würden dieser Vorstellung vom Jenseits gerne noch etwas hinzufügen. Zu dieser Bibliothek muss man natürlich vorher mit dem Motorrad durch eine paradiesisch schöne Berglandschaft hinfahren. Und wenn man anschließend nach dem ausgiebigen Weingenuss wieder zurückfährt, darf einem der Führerschein nicht abgenommen werden.

Rudolf Schneider

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